Die Gesamtzahl der Ermittlungsverfahren gegen OK-Gruppierungen ist 2018 nach dem vom BMI im September 2019 veröffentlichten Bundeslagebild von 572 auf 535 gesunken. Der im Jahr 2018 ermittelte Schaden belief sich auf 691 Millionen Euro, der festgestellte kriminelle Gewinn auf 675 Millionen Euro. Davon wurden 72 Millionen Euro vorläufig gesichert. Die Steigerung des insgesamt ermittelten Schadens gegenüber dem Vorjahr (um 330 %) beruht hauptsächlich auf neu gemeldeten Schäden in den Deliktsbereichen Steuer- und Zolldelikte, Delikte im Wirtschaftsleben sowie Eigentumskriminalität. In 78,1 % der Verfahren wurde eine internationale Tatbegehung festgestellt.
Kriminalitätsbereiche und OK-Potential
Hauptaktivitätsfelder der OK bildeten im Jahr 2018 wiederum der Rauschgifthandel und -schmuggel (37,6 %), die Eigentumskriminalität (17,4 %), Kriminalität im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsleben (10,3 %), Schleuserkriminalität (9,9 %), Steuer- und Zolldelikte (7,3 %), Fälschungskriminalität (3,2 %) und Cybercrime (2,4 %), jeweils gemessen an der Anzahl der insgesamt ermittelten Gruppierungen. In 211 OK-Verfahren gab es Hinweise auf Geldwäscheaktivitäten. In 38 OK-Verfahren wurde das Internet als Tatmittel festgestellt.
Insgesamt wurden 2018 6.483 Tatverdächtige ermittelt. 31,2 % waren deutsche Staatsangehörige, 11 % Türken, 6,2 % Polen. Die Anzahl der Tatverdächtigen pro Gruppierung lag im Durchschnitt bei 12-13 Personen. Nur in 1,5 % der Verfahren wurde eine OK-Gruppierung mit mehr als 50 Tatverdächtigen ermittelt. Der Organisations- und Professionalisierungsgrad der einzelnen OK-Gruppierungen wird mit dem sogenannten OK-Potential ausgedrückt, das sich aus der Anzahl und Gewichtung der jeweils zutreffenden Indikatoren zur Erkennung OK-relevanter Sachverhalte (Bewertung im wesentlichen nach Tatplanung, Tatausführung und Beuteverwertung) ergibt. Bei der Feststellung der Indikatoren spielen die Ermittlungsdauer und der Ressourceneinsatz eine entscheidende Rolle. Das durchschnittliche OK-Potential aller Gruppierungen entsprach 2018 mit 40,5 Punkten dem Mittelwert des Vorjahres (40,9 Punkte).
Ermittlungsschwerpunkte
2018 richteten sich 12 OK-Verfahren gegen Angehörige von Rockergruppierungen, davon 7 gegen Angehörige des Hells Angels MC. Deliktische Schwerpunkte waren Rauschgifthandel und -schmuggel sowie Gewaltkriminalität. Hinzu kamen 9 OK-Verfahren gegen rockerähnliche Gruppierungen.
13 Verfahren betrafen Mitglieder von italienischen Mafia-Gruppierungen, die meisten gegen Mitglieder der ‚Ndrangheta. Den Schwerpunkt bildete hier der Handel mit Kokain. 26 Verfahren wurden 2018 gegen Gruppierungen geführt, die der russisch-eurasischen OK (REOK) zugeordnet werden. Ein maßgeblicher Bestandteil der REOK ist die Ideologie der traditionell als „Diebe im Gesetz“ bezeichneten kriminellen Autoritäten, die sich an einem eigenen Normen- und Wertesystem orientieren und einem eigenen Kodex verpflichtet fühlen.
2018 wurden 45 Verfahren der (bisher nicht verbindlich definierten) Clankriminalität zugeordnet. Davon sind 24 Gruppierungen arabischstämmiger Herkunft, 8 Gruppierungen aus Westbalkan-Staaten, 3 OK-Gruppierungen türkischstämmiger Herkunft. 22 Verfahren der in ethnisch abgeschotteten Subkulturen agierenden Clan-Kriminalität wurden in Nordrhein-Westfalen geführt. Von den ermittelten 654 tatverdächtigen Clanmitgliedern haben 152 die libanesische, 148 die deutsche, 54 die syrische und 52 die türkische Staatsangehörigkeit. 23 Verfahren betrafen die Rauschgiftkriminalität, 12 die Eigentumskriminalität. Das durchschnittliche OK-Potential clanbasierter Ok-Gruppierungen lag mit 47,3 Punkten über dem Durchschnittswert (40,5 Punkte).
OK im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsleben
Für diesen Bereich wurden 2018 insgesamt 55 Verfahren gemeldet. Überwiegend waren die OK-Gruppierungen in diesem Kriminalitätssegment „deutsch dominiert“ (43,6 %). An zweiter Stelle standen mit 34,5 % türkisch dominierte Gruppierungen. Die festgestellten Schäden beliefen sich auf 130,4 Millionen Euro. Das waren 19,7 % der Schadenssumme in allen OK-Verfahren. Die Tätergruppierungen arbeiteten in diesem Bereich im Mittel 26 Monate zusammen und damit deutlich länger als nach dem Durchschnittswert aller Ok-Gruppierungen (20 Monate). Die OK-Verfahren im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsleben hatten größtenteils Betrugsdelikte zum Gegenstand. 13 OK-Verfahren betrafen 2018 Cyberkriminalität. In diesem Bereich wurden OK-Gruppierungen vorrangig von ukrainischen Staatsangehörigendominiert. Die Gruppierungen begingen überwiegend digitale Erpressungen (38,5 %) und Angriffe auf das Online-Banking (23,1 %).
Gesamtbewertung
Das Schadens- und Bedrohungspotential der OK befindet sich trotz des Rückgangs der Anzahl der OK-Verfahren gegenüber dem Vorjahr weiterhin auf hohem Niveau. Die Tätergruppierungen passen sich gesellschaftlichen und technologischen Gegebenheiten an und sind in der Lage, ihre Vorgehensweisen daran auszurichten. Das Internet mit seinen vielfältigen Möglichkeiten der verschlüsselten Kommunikation ist ein Tatmittel geworden, das inzwischen von vielen kriminellen Gruppierungen genutzt wird. Das Darknet, ein abgeschotteter Teil des Internets, ermöglicht bei weitgehender Anonymität den unkomplizierten Erwerb verschiedenster inkriminierter Produkte. Dazu gehören zunehmend illegale Dienstleistungen, die auch für den „Laien“ die Begehung von Straftaten im Bereich der Cybercrime ermöglichen.
Eine internationale Tatbegehung oder eine Kooperation mit OK-Gruppierungen aus dem Ausland konnte wie in den Vorjahren in rund 80 % der in Deutschland geführten OK-Verfahren festgestellt werden. Die Transnationalität ist ein Kennzeichen der OK. Die Möglichkeit der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung erleichtert die Beschlagnahme illegaler Gelder. Nur durch den Entzug der kriminell erlangten Erträge kann letztlich die nachhaltige Zerschlagung von OK-Gruppierungen gelingen.
Weitere Bundeslagebilder
Angriffe auf Geldautomaten 2018
Falschgeldkriminalität 2018
Polizeiliche Kriminalstatistik 2018
Das Bundeslagebild 2018 zeigt eindeutig die besondere Gefährlichkeit der OK, weil ihre Mitglieder zumeist professionell agieren, untereinander eng vernetzt sind, arbeitsteilig und grenzüberschreitend vorgehen, also sehr oft Absatzmärkte für ihre Beute und Fluchträume im Ausland finden. Umso wichtiger ist für die wirksame Bekämpfung der OK ein gut funktionierendes internationales Fahndungssystem, wie es im Schengenraum existiert, und eine reibungslose internationale Zusammenarbeit der Ermittlungsbehörden. Es ist sehr zu begrüßen, dass insbesondere die nordrhein-westfälische Polizei in den letzten Jahren einen Schwerpunkt auf die Bekämpfung der Clankriminalität gelegt hat. Mehr als 14.000 allein in Nordrhein-Westfalen von Mitgliredern diverser Clans begangene Delikte wurden 2018 ermittelt, neben einem unbestimmt großen Dunkelfeld nicht detektierter Straftaten. Vorallem türkisch-arabische Clans bilden von der Öffentlichkeit abgeschottete, hierarchisch organisierte Parallelgesellschaften, die von arabischen Ehrvorstellungen geprägt sind, den Rechtsstaat ablehnen und nur das Recht des Stärkeren anerkennen. Umso notwendiger ist im Hinblick auf diese Konspirativität und Abschottungsstrategie die von der Bundesregierung vorgesehene Normierung der Zulässigkeit verdeckter Ermittlungen durch das Gesetz zur Neustrukturierung des Zollfahndungsdienstes, ebenso wie die Befugnis zur Identifizierung und Lokalisierung von Mobilfunkkarten und Telekommunikationsgeräten.