Das Bundeskriminalamt hat am 1. August 2018 das Bundeslagebild „Organisierte Kriminalität 2017“ in Deutschland veröffentlicht. Wir stellen daraus komprimierte Auszüge zusammen, fokussiert auf die OK im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsleben.
Vorbemerkung
Die Organisierte Kriminalität ist besonders schwer zu bekämpfen, weil die einzelnen Gruppen zumeist über erhebliche finanzielle Mittel, ausgezeichnete Tarnungsmöglichkeiten und internationale Strukturen verfügen, professionell und arbeitsteilig vorgehen. Definiert wird OK als die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig zusammenwirken, unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen (2017: 57 Prozent), unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel (2017: 32 Prozent) oder unter Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft (2017: 11 Prozent). In 6 Prozent der Verfahren waren alle drei Alternativen festzustellen. Das Lagebild beschreibt die polizeilich bekannt gewordene OK. Das nicht erfasste „Dunkelfeld“ lässt sich nicht valide abschätzen.
Entwicklung der Organisierten Kriminalität 2017
Die Gesamtzahl der Ermittlungsverfahren gegen OK-Gruppierungen ist 2017 von 563 auf 572 geringfügig angestiegen. Der im Jahr 2017 ermittelte Schaden belief sich auf 209 Millionen Euro, der festgestellte kriminelle Gewinn auf 145 Millionen Euro. Davon wurden 24 Millionen Euro vorläufig gesichert.
Hauptaktivitätsfelder der OK bildeten im Jahr 2017 wiederum der Rauschgifthandel und -schmuggel (36,2 Prozent), die Eigentumskriminalität (16,4 Prozent), Kriminalität im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsleben (11,0 Prozent), Steuer- und Zolldelikte (8,4 Prozent) sowie Schleuserkriminalität (8,9 Prozent) – jeweils gemessen an der Anzahl der ermittelten Gruppierungen. Die Anzahl der Tatverdächtigen pro Gruppe lag im Durchschnitt bei 14-15 Personen. Nur in 2,8 Prozent der Verfahren wurde eine OK-Gruppierung mit mehr als 50 Tatverdächtigen ermittelt. Der Organisations- und Professionalisierungsgrad der einzelnen OK-Gruppierungen wird mit dem so genannten OK-Potential ausgedrückt, das sich aus der Anzahl und Gewichtung der jeweils zutreffenden Indikatoren zur Erkennung OK-relevanter Sachverhalte (Bewertung im wesentlichen nach Tatplanung, Tatausführung und Beuteverwertung) ergibt. Bei der Feststellung der Indikatoren spielen die Ermittlungsdauer und der Ressourcenansatz eine entscheidende Rolle. Das durchschnittliche OK-Potential aller Gruppierungen entsprach 2017 mit 40,9 Punkten dem Mittelwert des Vorjahres (41 Punkte).
Schwerpunkte
2017 richteten sich 20 OK-Verfahren gegen Angehörige von Rockergruppierungen, davon 17 gegen Angehörige des Hells Angels MC. Schwerpunkte waren Rauschgifthandel und -schmuggel sowie Gewaltkriminalität. Hinzu kamen 22 OK-Verfahren gegen rockerähnliche Gruppierungen. 14 Verfahren betrafen Mitglieder von italienischen Mafia-Gruppierungen, die meisten (7) gegen Mitglieder der Gruppierung ‚Ndrangheta. Den Schwerpunkt bildete der Handel mit Kokain. Deutschland wird von der Mafia als Aktionsraum in den Bereichen Rauschgift-, Fälschungs-, Eigentums- und Wirtschaftskriminalität genutzt. 29 Gruppierungen wurden 2017 gegen Gruppierungen geführt, die der russisch-eurasischen OK zugeordnet wurden.
In 38 OK-Verfahren wurde wegen Einbruchsdiebstahl ermittelt. Das am häufigsten registrierte Phänomen im Bereich der Eigentumskriminalität waren KFZ-Sachwertdelikte (17 OK-Verfahren). Tätergruppierungen wurden in diesem Bereich überwiegend von litauischen (27,7 Prozent) und polnischen (17 Prozent) Staatsangehörigen dominiert.
Organisierte Kriminalität im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsleben
Für diesen Bereich wurden 2017 insgesamt 63 Verfahren gemeldet. Der kontinuierlich rückläufige Trend (2013: 76 Verfahren; 2016: 53 Verfahren) setzte sich 2017 damit nicht fort. Überwiegend waren die OK-Gruppierungen in diesem Kriminalitätssegment „deutsch dominiert“ (47,6 Prozent). An zweiter Stelle standen mit 23,8 Prozent türkisch dominierte Gruppierungen. Die festgestellten Schäden beliefen sich auf 60 Millionen Euro. Das waren 28,7 % der Schadenssumme aller OK-Verfahren. Die Tätergruppierungen arbeiteten in diesem Bereich im Mittel 4,7 Jahre zusammen und damit deutlich länger als nach dem Durchschnittswert aller OK-Gruppierungen (3,0 Jahre). Die OK-Verfahren im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsleben hatten größtenteils verschiedene Betrugsdelikte zum Gegenstand. 17 OK-Verfahren betrafen 2017 Cyberkriminalität. In diesem Bereich wurden OK-Gruppierungen vorrangig von Staatsangehörigen aus der russischen Föderation und der Ukraine dominiert. Die Gruppierungen begingen überwiegend digitale Erpressungen (29,4 Prozent) und Angriffe auf das Online-Banking (23,5 Prozent). In 34 OK-Verfahren wurde das Internet als Tatmittel festgestellt.
Gesamtbewertung
Das Schadens- und Bedrohungspotential der OK befindet sich weiterhin auf hohem Niveau. OK betätigt sich in sehr vielen Kriminalitätsbereichen. Die Tätergruppierungen passen sich gesellschaftlichen und technologischen Gegebenheiten an und sind in der Lage, ihre Vorgehensweisen daran auszurichten. Die klassischen Bereiche der OK (italienische OK, russisch-eurasische OK und Rockerkriminalität) stehen nach wie vor im Fokus der deutschen Polizeibehörden. Der Grad der Professionalisierung steigt. Ein Kennzeichen der OK ist deren Transnationalität. Grenzen stellen kein Hemmnis für die Täter dar. Ermittlungen werden durch die Nutzung von verschlüsselter Kommunikation und die Möglichkeiten des Internet als Tatmittel erschwert. Auf dem „Marktplatz“ Internet, insbesondere im sogenannten Darknet, werden zunehmend inkriminierte Güter bei weitgehender Anonymität von Anbietern und Kunden gehandelt. Den Strafverfolgungsbehörden wurde mit dem am 1. Juli 2017 in Kraft getretenen Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung ein Instrument an die Hand gegeben, das die Sicherung bzw. Beschlagnahme illegaler Gelder erleichtern soll und somit zur Realisierung eines wichtigen Ziels bei der OK-Bekämpfung beiträgt. Nur durch den Entzug der kriminell erlangten Erträge, also der wirtschaftlichen Grundlage, kann letztlich die nachhaltige Zerschlagung von OK-Gruppierungen gelingen.
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